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Universität Bielefeld

Name:

Frese

Beleg-Nr.:

26 10 34

Thema:

Guerilla-Formen des Philosophierens

Zeit:

Block Mitte Februar 2000

Ort:

T 8-222

Beginn am:

n.V.

Vorbesprechung: Freitag, 2. Juli 1999, 11.00 - 11.30 Uhr in T 8 – 222

zugeordnet zu den Studienelementen:

Formen des Philosophierens (D 1)

Art der Veranstaltung:

Hauptseminar, 2 SWS [in der Veranstaltungsreihe "Wege – Bilder – Spiele"]

Inhalt, Gliederung, Ziele:

"Aphorismen sind die Partisanen im Feld der Sprache." Mit diesem Diktum beginnt Klaus von Welser das Nachwort seiner Aphorismen-Sammlung (München: Piper 1988, S. 101). Und fährt fort: "Zwischen und hinter den Fronten der [...] Denksysteme operieren diese Sätze einzeln oder in kleinen Gruppen und schaffen Unruhe, wo Klarheit zu herrschen schien." Genau in diesem Sinne zielt die Metapher des Veranstaltungstitels auf einen rhetorisch und darstellungs-methodisch bedenkenswerten Gesichtspunkt für die Beschreibung der "kleinen" Formen (Epigramm, Maxime, Reflexion, Devise, Sentenz, Aperçu, Denkspruch, Denkbild, Aphorismus, Fragment, Glosse, Tagebuch-Notiz, Kurz-Essay, Prosagedicht) und der großen Traditionen des "aphoristischen" Philosophierens: der Aphoristiker als Guerillero der Diskurse

-     taktiert ganz aus der Opportunität und nutzt parasitär (zitierend) Ressourcen des Gegners;

-     mobilisiert politisch-moralische Empörung - insbesondere in Fragen sprachlichen Handelns;

-     verteidigt den "Republikanismus" jedes Satzes gegen alle Tendenzen zum theoretischen "Monarchismus";

-     steht in einer konstitutiven anarchischen Spannung zu den Normen diskursiver Darstellung:

-     enttäuscht bewußt Erwartungen an methodisches Vorgehen, klaren Aufbau, analytische Argumentation, Widerspruchsfreiheit, deduktive Systematik, gedankliche Konsequenz;

-     riskiert (weil systematisch und argumentativ schwach) jeden Satz als Schlag ohne Dauer;

-     operiert beweglich, aber ohne Disposition, unberechenbar wendig, überraschend zuschlagend, durchschlagend luzide, entwaffnend dunkel, hermetisch, paradox, assoziativ, metaphorisierend, analogisierend, vom Einzelnen ins Universellste springend und jede Art Chaos liebevoll pflegend;

-     ist angewiesen auf freies Selbst-Mit-Denken, konstruktive Auslegung bis hin zur Ko-Autorschaft;

-     rechnet also mit der hermeneutischen Komplizenschaft zitierbereiter Leser und

-     spekuliert auf imitatio, soziale Ansteckung, die aus einem Schneeball eine Lawine werden läßt.

In Vorgängerveranstaltungen standen Referate zu einzelnen Autoren (Novalis, Jean Paul, Valéry & Co.) im Vordergrund. Auch in diesem Block wird es zunächst um einige notwendige (oder passende) idiographische Ergänzungen gehen; erwünscht sind (insbesondere) Beiträge zu Lichtenberg, Rivarol, Goethe, Jean Paul (1999 sind in der histor.-krit. Ausgabe II-7 seine „Philosoph. Untersuchungen“ erschienen!), Joh. Wilh. Ritter, Ebner-Eschenbach, Nietzsche, Hofmannsthal, Musil, Benjamin, Adorno, Lec, Barthes, Gómez Dávila und N. O. Brown). Vorgeschlagen wurde eine Studie zum paradoxen Spinoza-Verhältnis vieler Aphoristiker.

Vordringlich stehen dann aber vergleichende diskurstheoretische Synthesen auf der Tagesordnung. (Präzisierung der Begriffe!) Publikation der Beiträge in einem Sammelband ist für Herbst 2000 geplant.

Listen (Literatur, vorläufiger Sitzungsplan, Referat- und Hausarbeits-Themen) in der Vorbesprechung ñ!

Teilnahmevoraussetzungen:  keine

Literatur zur Vorbereitung für Neueinsteiger (siehe auch Semesterapparat) :

Gerhard [Wolf] Fieguth (Hg.), Deutsche Aphorismen, Stuttgart: Reclam 9889, 1978, 395 S., DM 16,00.

Friedemann Spicker, Der Aphorismus. Begriff und Gattung von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1912, Berlin 1997 (S. 397-473: umfassende Primär- und Sekundär-Bibliographien!).

Thomas Stölzel, Rohe und polierte Gedanken. Studien zur Wirkungsweise aphoristischer Texte, mFreiburt im Breisgau (Rombach) 1998